ARD-Reportage: Verheizt für billige Milch
Wer Urlaub auf dem Bauernhof bucht, stellt sich darunter vermutlich Leben im perfekten Einklang mit der Natur vor. Zum Frühstück gibt es frische Eier und gesunde Milch aus eigener Produktion. Das Idyll ist zuweilen auf manchen Höfen trügerisch, wie die Fernsehreportage „Verheizt für billige Milch – Das Leiden der deutschen Turbokühe“ zeigt. Es ist an der Zeit für ein Umdenken – auch als Verbraucher!
Die im Auftrag der ARD produzierte Doku berichtet von dem hohen wirtschaftlichen Druck, unter dem heutige Milchbauern stehen. Die eigentlichen Leidtragenden seien jedoch oftmals die Kühe, so das Credo des Films. Die hochgezüchteten Tiere halten den Anforderungen nicht mehr stand. Sie erschöpfen frühzeitig und leiden verstärkt an tödlich verlaufenden Krankheiten.
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Durchschnittliche Lebenserwartung drastisch gesunken
Das Milchvieh erreicht inzwischen nur noch ein durchschnittliches Lebensalter von fünfeinhalb Jahren. Normal für eine Kuh sind allerdings 20 Jahre. Die Hälfte der Tiere wird noch nicht einmal drei Jahre und zwei Monate alt. Erst ab diesem Punkt gilt eine Kuh aus biologischer Sicht als erwachsen.
Mittlerweile landen jährlich etwa ein Viertel aller deutschen Rinder im Schlachthof, darunter bis zu 180.000 trächtige Kühe. Die ungeborenen Kälber sterben dabei einen qualvollen Tod durch Ersticken in der Gebärmutter. Der Todeskampf kann zwanzig Minuten dauern.
Drei Gründe für gesundheitliche Probleme
Laut den Recherchen des ARD-Teams von »Report Mainz« sind drei Gründe dafür ausschlaggebend: die Züchtung, die Haltung und die Ernährung. Seit 1960 hat sich die Milchmenge, die eine Kuh liefert, nahezu verdoppelt. Waren es früher rund 5.000-6.000 Liter, sind es heutzutage um die 10.000 Liter pro Jahr. Diese Fortschritte sind zum Teil auf Züchtungserfolge zurückzuführen. Die Züchtung orientiert sich jedoch ausschließlich daran, die Milchleistung zu verbessern. Auf gesundheitliche Aspekte nehmen die Züchter keine Rücksicht.
Eiweißreiches Kraftfutter
Zudem verfüttern die Bauern spezielles Kraftfutter, das vor allen Dingen aus Rapsschrot, Sojaschrot, Körnermais und Mineralstoffen besteht. Die Nahrung ist sehr eiweißreich und steigert die tägliche Milchmenge. Doch sie löst auch Krankheiten aus. Wie ein Veterinär in der Reportage feststellt, leidet seinen Untersuchungen zufolge aktuell jede zweite Milchkuh unter Klauenrehe. Die Klauenerkrankung ist mittlerweile die häufigste Todesursache unter Kühen.
Der Tierarzt führt die Häufung dieses Krankheitsbildes auf die Überfütterung mit Kraftfutter zurück. Der Stoffwechsel der Kühe ist eigentlich auf Gras ausgelegt und kann die aufgenommene Energiemenge nicht ausreichend verbrennen. Zudem verlassen Milchkühe praktisch niemals in ihrem Leben den Stall. Die mangelnde Bewegung strapaziert zusätzlich den Gelenkapparat.
Umdenken bei einem Teil der Landwirte
Kommt ein Urlaub auf dem Bauernhof deshalb zwangsläufig einem Besuch auf einer Todesfarm gleich? Inzwischen gibt es zunehmend landwirtschaftliche Betriebe wie den Bauernhof der Familie Westenrieder im Allgäu, die wieder auf traditionelle Milchwirtschaft umstellen. Die ARD-Reportage zeigt, dass sich diese Rückbesinnung trotz des Preisdrucks bei der Milcherzeugung sogar rechnen kann.
Die Familie hat die »Turbokühe« abgeschafft und setzt wieder auf normales Fleckvieh. Die Kühe sind täglich sieben Stunden auf der Weide. Sie ernähren sich vorwiegend von Heu und Gras. Der Bauer spart dadurch die hohen Kosten für das Kraftfutter. Seine Kühe leben länger und geben dadurch auch länger Milch. Zudem vermarktet der Landwirt die Milcherzeugnisse unter dem Label »Bio-Heu-Milch«. Diese Idee kommt bei seinen Kunden an. Sie zahlen bereitwillig einen höheren Preis.
Es ist an der Zeit umzudenken. Wir Verbraucher haben es beim Einkauf in der Hand – für ein längeres, glücklicheres Leben der Kühe und bessere Milch!